Es war der 13. November 2011, als ich ihn zum ersten Mal sah. Wir waren gerade auf dem Campingplatz im südspanischen Bolnuevo angekommen und fingen an, uns einzurichten. Da kam plötzlich ein hellbrauner mittelgroßer Hund mit einem roten Halsband zu uns. Er sah sehr abgemagert aus, sodass Rosemarie ihm sofort etwas zu Fressen gab. Mir fiel auf, dass er sich nach dem Fressen sich wie eine Katze an unserer Hecke scheuerte. Danach kam er zu mir, rieb sich an meiner Jeans und verschwand wieder. Für einen wilden Hund fand ich das erstaunlich, denn die sind normalerweise sehr scheu.

Drei Tage sahen wir diesen Hund nicht mehr, außer im sieben Kilometer entfernten Puerto de Mazarrón, wo er im Hafen herumlief. Dann kam er wieder bei uns vorbei und bekam natürlich zu fressen. Unsere kleine Bella war sich nicht im Klaren, wie sie sich verhalten sollte. Normalerweise wollte sie mit jedem Hund spielen, aber dieser fraß bei uns. Ab diesem Tag kam er öfter bei uns vorbei, ebenso zu Gudrun. Rosemarie stellte mehrmals am Tag einen Napf mit Nassfutter raus und einen Großen mit Wasser.

Mit anderen Hundebesitzern kam ich häufiger über diesen Hund ins Gespräch. Fast alle wussten etwas über ihn zu erzählen. Eines sagten aber alle, dass es ein äußerst liebenswürdiger Hund sei, der von Vielen gefüttert wurde. Eine Frau erzählte mir, dass der Hund bis vor ein paar Tagen bei einer deutschen Frau im Vorzelt geschlafen hatte. Das Halsband hatte sie ihm umgelegt, damit man ihn nicht einfängt und eingeschläfert. Diese Frau musste dann aber leider nach Hause und der Hund blieb zurück. Als der Hund merkte, dass sie weg war, lief er immer wieder dorthin, wo sie gestanden hatte und heulte.

Eine Beinverletzung hatte der Hund auch, eine Woche, bevor wir in Bolnuevo ankamen, soll er noch stark gehumpelt haben. Die Spuren der Verletzung konnte ich bei ihm noch zu sehen. Auch Spuren von weiteren Verletzungen konnte man an ihm noch deutlich erkennen. Gudrun hatte den Hund inzwischen Carlos genannt. Dieser Name prägte sich langsam bei den Leuten des Campingplatzes ein.

Carlos kam nun regelmäßig bei uns vorbei und blieb häufiger in der Nähe unserer Parzelle. Da er wirklich ein äußerst freundlicher und friedlicher Hund war, gab es auch keine Probleme mit den Nachbarn. Wenn wir mit Bella am Strand entlangliefen, war er plötzlich da, blieb kurz und verschwand genau so schnell wieder. Gudrun erzählte, dass er bei ihr im Vorzelt geschlafen hatte, übernachtet allerdings nicht. Auch in unser Vorzelt kam er jetzt tagsüber, um sich mal auszuruhen und zu schlafen.

Das Wetter wurde schlechter, es regnete tagelang und es wurde kälter. Carlos kam aber nie zum Übernachten zu uns, obwohl er tagsüber häufig bei uns vorbeischaute. Ich machte mir Gedanken, wo der Hund denn wohl schlafen würde. Auch von den anderen Hundebesitzern, die ich traf, war nichts zu erfahren. Seine Besuche bei uns wurden aber immer häufiger.

Es kam die Zeit, da wartete er in der Nähe unseres Reisemobils auf unsere Rückkehr, wenn wir mit den Fahrrädern unterwegs waren. Wenn er uns von Weitem sah, kam er angelaufen und zeigte große Freude. Manche Leute sagten mir, dass ich sein Chef sei, was ich mir aber nicht vorstellen konnte. Was hatte ich denn schon für diesen Hund getan? Gefüttert wurde er von Rosemarie und fürs Spielen war Bella zuständig, ich mochte ihn einfach nur.

Wenn ich aber sah, wie er seine Pfoten auf meine Schultern legte und mit seinem Maul meine Hand ergriff und dass unsagbar sanft, merkte auch ich, dass da irgendetwas war. Er schaute mich dabei auch so eigenartig an, was ich im Nachhinein leider nicht mehr beschreiben kann. Mit der Zeit hörte er sogar auf seinen neuen Namen. Manchmal hörte er sogar auf mich, wenn ich ihn von etwas abhalten wollte, zum Beispiel sich mit einem anderen streunenden Hund anzulegen.

Carlos lief nun immer häufiger mit mir mit. Dabei benutzte er immer seine eigenen Wege, das heißt, er verschwand kurz und war dann plötzlich wieder neben mir. Als ich eines Tages zur Toilette musste, kam Carlos mit und ich wusste nicht, wie ich ihn abwimmeln konnte. Dann hörte ich aber wie Lilly, eine kleine Malteserhündin laut bellte. Carlos war wohl gerade in ihrer Nähe und wurde von ihr angebellt. Diese Gelegenheit nutzte ich natürlich schnell, um zur Toilette zu gehen. Ich saß gerade in einer Kabine, als plötzlich Carlos Kopf durch den schmalen Schlitz unter der Tür durchschaute. Ein freundlicher Camper jagte ihn dann aber aus dem Gebäude, da es für Hunde tabu war.

Mit anderen Hunden legte sich Carlos zwar selten an, aber Hunde, die sein Revier streitig machen wollten, die vertrieb er lautstark. Zu Hunden, die mit Menschen liefen, war er äußerst freundlich, zu deren Menschen auch. Wenn aber in der Dunkelheit lautstarkes Gebell auf dem Campingplatz zu hören war, wussten wir, Carlos vertreibt gerade fremde Hunde, die immer abends den Campingplatz besuchten, um Futter zu suchen.

Anfang Dezember gingen wir mit Bella zum Lokal “Oasis de Las Palmeras“. Plötzlich taucht Carlos dort auf, begrüßte uns, und lief dann wie selbstverständlich ins Lokal hinein. Dann sah man ihn im Garten, dann wieder im Lokal, bis er den Katzen hinterherlief. Auf einmal steckte er in einer Hütte fest, die im Sommer wohl als Ausschank diente. Ein freundlicher Gast ließ ihn dort raus, obwohl Carlos dank seiner gewaltigen Sprungkraft wohl selbst dort herausgekommen wäre. Als wir wieder zurück zum Campingplatz gingen, trottete Carlos friedlich mit uns mit.

In der gleichen Woche kam Carlos auf einmal ohne sein Halsband zu uns. Ich weiß nicht, warum ihm das jemand abgenommen hatte. Die Gefahr, dass man Carlos ohne Halsband einfängt, war wesentlich größer, als mit. Da ich gerade einen Mietwagen hatte, fuhr ich sofort nach Puerto de Mazarrón zum Chinesen und kaufte ihm ein neues Halsband. Ich suchte eines mit Reflektoren, fand aber kein Passendes, also bekam er eines aus Leder. Bevor ich es ihm Angelegte, schrieb ich noch seinen Namen darauf.

Eine Woche später gingen wir zum Café Colonia frühstücken. Carlos kam auch mit und legte sich brav neben den Tisch. Hinter uns saßen zwei Männer von einem Pool Service und unterhielten sich in Deutsch. Der Deutsche schien der Chef der Firma zu sein, schaute sich immer wieder Carlos an.

Da der Hund ihm gut gefiel, erzählte ich ihm, dass Carlos noch eine Familie sucht. Er war sehr an ihm interessiert, musste aber erst seine Frau fragen. Als wir mit dem Frühstück fertig waren, sagte er leider ab, seine Frau hatte Angst wegen ihres neugeborenen Babys. So war diese Chance Carlos zu vermitteln vertan, aber wir hatten ja noch Barbara in Vicar bei Almeria, die ihn nehmen wollte, wenn ich für die Kosten aufkommen würde.

Je länger Carlos mit uns zusammen war, umso stärker fühlte er sich. So kam es manchmal zu Problemen wegen Bella. Wenn sie mit anderen Hunden spielte und es so aussah, als wäre sie unterlegen, mischte er sich ein und wollte Bella helfen. Aber wie schon gesagt, ich konnte ihn ganz gut davon abhalten. Ein großer dunkelbrauner Hund, der den ganzen Tag vor einer Finca lag, hatte Carlos anfangs immer verjagt, sodass dieser sich nicht mehr wagte, in dessen Revier zu laufen. Nach einigen Tagen mit uns an seiner Seite lieferte er sich mit diesem Hund Bellduelle. Später ignorierte er diesen Hund sogar, ging vorweg und ließ den Anderen hinterherlaufen. Der andere traute sich nicht mehr, ihn anzugreifen.

Er hielt sich inzwischen in unserem Vorzelt auf einem Campingstuhl auf. Wenn es dunkel wurde, verschwand er allerdings nach draußen, wo er wilde Hunde, die zur Futtersuche auf den Campingplatz kamen, vertrieb. Ein schäferhundähnliches Paar kam abends immer gegen 21-22 Uhr vorbei. Carlos wurde dann ein unerbittlicher Vertreiber. Als wir einmal von unserem abendlichen Spaziergang um ca. 22:30 Uhr zurückkamen, wurde ich Zeuge einer solchen Vertreibung.

Carlos war vorher friedlich mit uns mitgegangen, natürlich um zwischendurch immer mal zu verschwinden. Schon am Eingang des Campingplatzes sah er die Kleinere der zwei Hunde. Wie eine Furie rannte er hinter ihr her. Obwohl die Hündin wie ein kleiner Hund schrie, ließ er nicht von ihr ab. Ich schrie Carlos hinterher, um ihn davon abzuhalten, aber er ließ sich nicht von mir beeinflussen. In diesem Moment hatte ich Carlos gehasst. Als er die beiden Hunde vertrieben hatte, kam er ganz friedlich zu uns zurück.

Inzwischen hatte ich Carlos erlaubt, in unser Reisemobil zu kommen. Dort legte er sich sofort unter den Tisch und schlief. Wenn Bella kläffte, weil draußen etwas passierte, regte Carlos sich nicht, er hatte nun einen sicheren Platz. Nur einmal hatte er wohl etwas Angst. Als die Rückkehr der Madonna nach Bolnuevo mit vielen Böllerschüssen eingeleitet wurde, verkroch er sich hinter den Beifahrersitz, ließ sich aber von mir dort wieder wegholen.

Als wir an einem Nachmittag den Strand entlang nach Bahia liefen, schien Carlos sich dort gut auszukennen. Er sprang über Mauern, um auf die Grundstücke der Fincas zu kommen. Manchmal waren die Mauern so hoch, dass ich Angst hatte, er würde es dort nicht mehr herausschaffen. Die Angst war aber unbegründet, Carlos hatte ein gewaltiges Sprungvermögen und war kurze Zeit später, immer wieder bei uns.

In der Folgezeit war Carlos immer in unserer Nähe. Das Reisemobil war inzwischen sein sicherer Übernachtungsort. Wenn er raus wollte, so zeigte er es mir und ich reagierte dann auch sofort. So ging das eine ganze Weile, bis wir wieder mal mit beiden Hunden am Strand bzw. den Paseo entlang bis Bahia liefen. Dort sah er eine Hündin an der Leine eines Spaniers laufen. Er lief hin und sprang sofort auf sie drauf und versuchte sie zu decken. Den Spanier kümmerte das kaum, er sagte uns nur, dass seine Hündin „very hot“ sei.

An diesem Abend kam Carlos erst nach Mitternacht zurück. Am nächsten Abend war er um Mitternacht immer noch nicht zurück, sodass ich dachte, er kommt nicht mehr. Diesmal entdeckte ich ihn zufällig um ca. 1 Uhr im Vorzelt. Als ich die Tür aufmachte, sprang er sofort rein. Am nächsten Tag kam er noch später. Einen Tag später, zwischen 22 und 23 Uhr, als wir gerade den abendlichen Spaziergang mit Bella machten, kam er plötzlich zu uns gelaufen.

Er freute sich, mich und Bella zu sehen, sprang an mir hoch und legte seine Vorderläufe auf meine Schultern. Er verlangte so viele Streicheleinheiten von mir, dass Bella ihn eifersüchtig ankläffte. Er lief den ganzen Weg mit mir und kam auch sofort mit ins Reisemobil. Ein paar Minuten später wollte er aber wieder nach draußen, wahrscheinlich zu seinem heißen Weibchen. Am nächsten Tag sahen wir, dass er sich in Bolnuevo an eine Straßenecke stellte und lange Zeit in eine Nebenstraße hineinschaute. Ob dort wohl sein heißes Weibchen wohnte?

Wenn ich mit Bella unterwegs war, wurde ich immer wieder auf Carlos angesprochen, was für ein lieber und schöner Hund er doch sei. Lieb war o. k., aber ein “schöner Hund”, das empfand ich damals im Gegensatz zu heute noch nicht. Ich bemühte mich, immer wieder zu erklären, dass Carlos nicht unser Hund sei, sondern noch zu haben ist. Ich hatte die Angst, dass jemand an Carlos Interesse haben könnte, aber nichts sagte, weil er glaubte, es wäre unser Hund.

Eines Abends sah ich nachts einen neuen Hund, einen Podenco Ibicenco auf unserem Campingplatz, der äußerst abgemagert in der Nähe des Sanitärhauses rumlief. Ich brachte ihm zu Fressen, musste mich dann aber weit von ihm entfernen, bevor er überhaupt fraß. Als ich das nächste Mal diesem Hund wieder etwas zu fressen brachte, kam ein kleiner grauer Hund und fraß ihm das Futter weg. An einem der nächsten Tage brachte Carlos diesen kleinen Hund mit zu uns und animierte ihn, Trockenfutter zu fressen, was dieser auch tat. Ich glaube, das war der einzige freilaufende Hund, den Carlos nicht vertrieb.

Da in diesem Winter lange am neuen Paseo gearbeitet wurde, fuhren auch immer wieder Baufahrzeuge den Strand entlang, die Material transportierten. Für Bella war das jedes Mal ein Grund, hinter und vor diesen Fahrzeugen herzulaufen, um diese anzubellen. Mein Rufen ignorierte Bella fast immer. Da schaltete sich auf einmal Carlos ein, lief zu Bella und holte sie von den Fahrzeugen weg. Auch als Bella mit ihrem großen Ball spielte und dieser durch den Wind ins Meer getrieben wurde, lief Carlos hinterher. Er versuchte, den Ball wieder aus dem Wasser zu bekommen, aber es gelang ihm nicht. Abends berichtete mir Daggi, dass sie jemanden für Carlos gefunden hat. Das Paar sei auf dem Weg zum Campingplatz, ich könne mich hundertprozentig darauf verlassen, dass die beiden ihn nehmen.

Als wir mal wieder mit den Rädern und Bella im Anhänger nach Puerto de Mazarrón fuhren, lief Carlos neben mir her und bellte mich ständig an. Er war dabei sehr unvorsichtig und achtete nicht wie sonst, auf fahrende Autos. Wenn ich nicht gewusst hätte, wie friedlich dieser Hund ist, so hätte ich jetzt wirklich Angst bekommen. Als wir an der Stelle vorbeikamen, wo immer die Katzen gefüttert werden, hoffte ich, dass er sich von diesen ablenken ließ. So geschah es auch, worauf wir unsere Elektroantriebe auf höchste Leistung stellten und davon fuhren.

Ein paar Tage später passierte wieder das Gleiche. Carlos bellte mich ständig an, als wir mit den Rädern wegfahren wollten. Auf der Straße ließ ich mein Rad mit Anhänger stehen und ging zu Fuß nach Bolnuevo rein. Carlos kam mit und wie immer lief er voraus und verschwand in eine Seitenstraße. Wie beim letzten Mal, fuhren wir so schnell wir konnten davon. Ebenso wie beim letzten Mal wartete er bei unserer Ankunft am Reisemobil auf uns. Diesmal wartete er sogar im Vorzelt, obwohl die Tür geschlossen war. Er war unter der Tür hergekrochen. Ab sofort wurde die Vorzelttür unten immer einen Spalt für ihn aufgelassen.

In der gleichen Woche, als wir wieder nach Puerto fahren wollten, lief Carlos wie an den Vortagen laut bellend nahe neben mir her. Wir brachen die Fahrt hinter dem Hotel Playa Grande ab, denn Carlos ließ sich durch keinen Trick mehr abschütteln. Wir schoben die Fahrräder zum Paseo de Castelllar, wo die beiden Hunde miteinander am Strand spielten. Als wir mit den Rädern über den Paseo wieder zurück Richtung Campingplatz fuhren, bellte Carlos mich nicht mehr an. Nun begriff ich endlich, Carlos hatte Angst, dass wir wegfahren und ihn allein lassen wollten. Das wollte er mit seinem Bellen verhindern.

Am Silvestertag war ich gerade vor dem Fahrzeug beschäftigt, da kam ein Radfahrer vorbei und machte mich derbe an. Normalerweise hätte ich diesen Mann ignoriert, als er aber sagte, dass Carlos ihn angefallen hätte, bezichtigte ich ihn der Lüge, worauf er noch mehr palaverte. Er werde dafür sorgen, dass wir vom Campingplatz fliegen, und fuhr dann wütend weg. Ich sprach mit anderen Hundebesitzern darüber, aber niemand wollte glauben, dass Carlos jemanden anfallen könnte.

An diesem Abend trafen wir uns bei Gudrun, um auf die Jahreswende zu warteten. Das Paar, das angeblich Carlos übernehmen wollte, war auch dabei. Die wollten aber überhaupt keinen Hund. Ich war schon etwas ärgerlich, weil man mir vorher solche Hoffnung gemacht hatte. Im Laufe des Abends kamen wir dann auch, auf Carlos zu sprechen.

Nun hackten alle auf mir rum, was ich alles mit diesem Hund falsch machen würde. Ich dürfte ihn nicht frei auf dem Campingplatz herumlaufen lassen. Ich fragte, warum sie Carlos nicht an die Leine nehmen würden, und alles das machen würden, was sie mir vorwarfen, falsch zu machen. Ich würde mir jedenfalls nicht anmaßen, den freilaufenden Hund an die Leine zu binden. Es kamen natürlich nur Ausflüchte, man hätte schon einen Hund und könne Carlos nicht gebrauchen.

Wir hatten aber auch einen Hund und wollten Carlos auch nicht mit uns nach Hause nehmen. Ich wollte aber Carlos solange nicht die Freiheit nehmen, bis Menschen gefunden wurden, die sich um Carlos kümmern würden. Und eines sollte allen klar sein, ich würde Carlos auf keinen Fall im Stich lassen, wenn wir von Bolnuevo abreisen würden. Als letzte Möglichkeit hatte ich ja noch Barbara Giel in Vicar.

Am Neujahrstag erzählte mir eine Frau beim morgendlichen Spaziergang, wie sie gesehen hatte, dass am Morgen zuvor ein Deutscher den Carlos so getreten hatte, dass dieser schreiend und humpelnd davon lief. Da fiel mir der Radfahrer von gestern ein. War er das und hat Carlos ihn deshalb angebellt? Später telefonierte ich mit Ellen, einer Hundetrainerin in Deutschland, ob sie vielleicht jemanden kennt, der noch einen lieben Hund sucht. Sie machte mir aber keine großen Hoffnungen, trotzdem sah ich darin eine weitere Möglichkeit, ein Zuhause für Carlos zu finden.

Am folgenden Dienstag wollten wir zum Mercadona, Carlos lief wieder bellend neben mir her. Alle Versuche, ihn auszutricksen scheiterten auch an diesem Tag wieder. Da Rosemarie aber unbedingt einkaufen wollte, ließ ich sie alleine vorfahren. Ich wollte irgendwie versuchen, zum Tea-Pot zu kommen, wo wir uns dann treffen wollten. Als Rosemarie außer Sichtweite war, fuhr ich langsam über Nebenstraßen Richtung Mercadona. Es war unglaublich, Carlos lief die ganze Zeit, ohne zu bellen, rechts neben meinem Fahrrad her.

Als wir dann zum Parkplatz von Mercadona kamen, lief er allerdings einen anderen Weg und war nicht mehr zu sehen. Als wir später zurück auf den Campingplatz kamen, wartete er dort schon auf uns und kam uns schwanzwedelnd entgegen.

Zwei Tage später wollten wir wieder nach Puerto de Mazarrón fahren. Carlos ließ uns nicht aus dem Auge und folgte uns überall hin. Also fuhren wir erst einmal zum Café Colonia, um dort zu frühstücken. Carlos blieb aber auch dort bei uns, legte sich unter unseren Tisch und ließ sich durch nichts stören. Als wir dann weiterfuhren, wollte ich versuchen, ihn bei den Katzen abzuhängen. Carlos rannte dort wie erhofft auch hin. Als wir ihn nicht mehr sahen, fuhren wir mit Motor schnell weiter. Carlos merkte das aber und sprintete bellend hinter uns her.

Also fuhren wir wieder die Nebenstraße, damit Carlos ungefährdet mitlaufen konnte. Nach einer Weile fiel mir ein, dass Bella diesen Teil der Strecke ja auch mitlaufen könnte und ließ Sie aus dem Fahrradanhänger. Das klappte auch alles sehr gut, denn Bella lief Carlos hinterher, allerdings nicht neben dem Fahrrad. Nach einer Weile kamen wir an eine Stelle, wo die Betongräben neben den Plastik-Gewächshäusern voller Schlamm waren. Carlos lief sofort dort rein und Bella hinterher. Carlos war nur an den Pfoten versaut, die kleine Bella aber am ganzen Körper.

Wir reinigten Bella provisorisch, steckten sie in den Anhänger und ließen Rosemarie wieder vorausfahren. Danach lief Carlos wieder ganz toll neben mir her. Er kam diesmal mit bis oben auf den Parkplatz von Mercadona, um dann aber sofort wieder wegzulaufen. Auch diesmal wartete er wieder freudig auf dem Campingplatz, als wir zurückkamen.

Am Freitag erreichte ich endlich Frau Brückner von „San Animal“. Ich hatte vorher schon einige Male erfolglos versucht, sie wegen Carlos zu erreichen. Ich erklärte ihr die Situation von dem Hund. Sie erwähnte, dass Carlos eine gute Chance hätte in die Costa Calida Nachrichten, als Tier der Woche zu kommen. Ansonsten sei ihr Tierasyl voll belegt und sie könnte keinen Hund mehr aufnehmen. Sie erzählte mir, dass sie für Podencos noch eine gute Adresse hätte, falls wir Carlos nicht unterbringen könnten.

Wir verblieben, dass ich Carlos erst einmal zum Tierarzt bringen werde, damit sie etwas über seinen Gesundheitszustand schreiben könnte. Ebenso sollte ich ihr Fotos von Carlos schicken. Das hörte sich alles sehr gut an, so hatte ich ein weiteres Eisen im Feuer.

Am Nachmittag liefen wir mit Heiner, Reiner, den Frauen und den vier Hunden bis zum Paseo de Castelllar den Strand entlang. Am Ende ragt ein Felsen aus dem Meer, auf den wir hinaufkletterten. Die Hunde, auch Carlos hatten großen Spaß, sie liefen den Felsen rauf und runter wie Steinböcke. Carlos war darin ein großer Meister. Es war auch schön, zu sehen, wie toll er mit der kleinen Cleo und der großen Bella klarkam.

Wir bekamen wieder für zwei Wochen einen kleinen Matiz, mit dem ich testen wollte, wie Carlos sich beim Autofahren verhielt. Ich hatte keine Probleme ihn ins Auto zu bekommen. Auf dem Campinglatz und dann in Bolnuevo schaute er interessiert aus dem Fenster. Danach fuhr ich Richtung Mazarrón, um eine schnellere Fahrt zu testen. Dabei fing Carlos an zu hecheln, und zwar so, als wenn er die Strecke laufen würde. Insgesamt war mit aber dem Test zufrieden.

Am nächsten Tag fuhren wir mit Bella und Carlos im zum Tierarzt. Der körperliche Zustand von Carlos war in Ordnung. Als der Tierarzt aber sein Blutbild ausgewertet hatte, sah es nicht mehr so gut aus. Carlos hatte zwei von Parasiten verursachte Krankheiten, wovon eine die Leishmaniose war, die überall in den mediterranen Gebieten vorkommt, und unheilbar ist. Die andere war Anaplasmose, die mit Antibiotika bekämpft werden sollte. Das Immunsystem von Carlos war kaum noch vorhanden, deshalb konnte er auch nicht geimpft werden.

Wir fuhren dann mit Carlos weiter zu Mercadona, weil ich sehen wollte, warum er dort immer weggelaufen ist. Tatsächlich hatte Carlos große Angst, als ich ihn aus dem Auto holte. Er zog seinen Schwanz ein und seine Rückenhaare sträubten sich. Vielleicht hatte vor Angst vor Deny, einem großen alten Hund, der dort den ganzen Tag verbrachte. Trotzdem ging er zögernd mit mir zu einem Tisch und beruhigte sich dann langsam.

Als wir dort am Tea-Pot beim Kaffee saßen, kamen wir mit einem Paar ins Gespräch, das früher lange Zeit Hunde zur Pflege aufgenommen hatte. Ihr letzter Hund Carlo war vor drei Monaten verstorben, und sie wollten keinen Hund mehr. Nach einer Weile waren sie nicht mehr total abgeneigt, Carlos zu übernehmen. Wir tauschten Telefonnummern und unsere Adresse des Campingplatzes aus und wollten wieder Kontakt aufnehmen.

Carlos bekam nun drei Mal am Tag Tabletten, morgens und abends 2¾ und mittags 1¼. Mit einer Leberpastete klappte das sehr gut, es wurde mit der Zeit zum Ritual. Mit dem Auto waren wir nun öfter unterwegs, allerdings ohne Carlos. Wenn wir zurückkamen, und er das Auto sah, dann kam er vor Freude angesprungen.

Am Freitag besuchten uns Günter und Helga Müller, um sich nach dem Zustand von Carlos zu erkundigen. Wir erzählten ihnen, welche Krankheiten er genau hat. Mit der Leishmaniose hatten sie kein Problem, allerdings sollte die Anaplasmose erst auskuriert sein, bevor sie Carlos übernehmen wollten. Je mehr ich über unsere Zeit mit Carlos erzählte, umso mehr leuchteten Jürgens Augen. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass die beiden genau die Richtigen für Carlos waren. Wir verabredeten uns zum Besuch beim Tierarzt in der übernächsten Woche. Wenn dann dort alles außer der Leishmaniose mit Carlos in Ordnung ist, wollten sie ihn übernehmen.

Am Sonntag war ich schon kurz nach 7 Uhr mit den Hunden am Strand unterwegs, da wir zum Markt nach Guardamar wollten. Auf dem Rückweg umarmte mich Carlos plötzlich kurz vor dem Campingplatz und wollte mich nicht mehr loslassen. Scheinbar ahnte er, dass wir wegfuhren und ihn alleine lassen würden. Als wir nachmittags zurückkamen, war er besonders freudig und aufgeregt. Er wollte gar nicht mehr von mir lassen, Bella fing an, ihn eifersüchtig anzubellen.

Ich machte dann den nachmittäglichen Hundespaziergang, wo Bella und Carlos wieder ausgelassen miteinander tobten. Ich traf ein Lübecker Ehepaar, die Ihre Ronja spazieren führte. Sie erzählten mir, dass Carlos am Vortag dunkles Blut gepinkelt hatte, sie es danach aber nicht mehr beobachtet hatten. Ich hoffte, dass die Tabletten das verursacht hatten und nicht schon die Leishmaniose.

Reiner und vor allem Daggi redeten immer häufiger auf mich ein, dass ich Carlos einschläfern lassen müsste. Vor allem Daggi betonte dabei, dass sie als Hundezüchterin weiß, was sie sagt. Gudrun ging dann zu Rosemarie und sagte ihr, dass sie mich überzeugen sollte, Carlos einschläfern zu lassen. Wenn ich das nicht machen würde, dann würde sie das machen. Mich ärgerte das gewaltig, Gudrun hatte zwar vor Wochen versucht, Carlos bei der englischen Arche unterzubringen, sonst hatte sie aber für den Hund nichts getan.

Mich bestärkte das aber immer mehr, Anwalt dieses Hundes zu sein und wirklich nur das zu tun, was für den Hund das Beste war. Hier ging es um den Hund und nicht um irgendeinen Menschen wie Gudrun oder mich. Carlos blühte in der Zeit, wo er die Medikamente bekam, richtig auf. Das bestätigten auch andere Hundebesitzer, die ihn kannten und mochten.

Am nächsten Morgen fuhren wir mit beiden Hunden im Auto nach Puerto de Mazarrón. Carlos fuhr prima mit und Schaute interessiert aus dem Fenster. Beim Mercadona hatte Carlos wieder Angst, beruhigte sich aber nach kurzer Zeit. Beim Tea Pot legte er sich unter den Tisch und verhielt sich wie ein ausgebildeter Hund. Auf der Rückfahrt übergab sich Carlos allerdings zwei Mal und lief danach zu Fuß zum Campingplatz zurück. Am späten Nachmittag riefen die Müllers an, um sich nach Carlos zu erkundigen, der lag zufrieden unter unserem Tisch.

Zwei Tage später kam die Familie Müller bei uns vorbei. Helga lief mit Carlos an der Leine, mit mir den Strand entlang bis zur Oasis de las Palmeras. Unterwegs gab es allerdings ein paar Probleme, weil der große braune Hund, bei dem wir immer vorbei kamen, plötzlich auf Carlos losging und Helga etwas panisch reagierte. Carlos hatte vor Wochen noch Probleme mit diesem Hund gehabt, aber das war in der letzten Zeit vorbei. Diesmal war Carlos allerdings angeleint, wahrscheinlich was das der Grund, warum der Große ihn anmachte.

Am Oasis de las Palmeras, tranken wir einen Kaffee und Carlos legte sich unter den Tisch. Bella war ganz anders, sie forderte stets die Aufmerksamkeit. Helga war mit dem Verhalten von Carlos an der Leine sehr zufrieden und war sich klar, dass er bald bei Ihnen leben würde. Ich freute mich darüber, denn für Carlos mit seinem großen Laufpensum wohnten sie ideal. Sie hatten ein großes Grundstück am Waldrand in der Nähe von Celle und vor allem mochte Carlos die beiden auch.

Wir fuhren nun öfter mit den Fahrrädern den Paseo entlang, Bella durfte mit Carlos nebenher laufen. Ohne Carlos wäre ich nie auf die Idee gekommen, Bella neben unseren Rädern herlaufen zu lassen. Die beiden Hunde hatten so viel voneinander gelernt und mochten sich. Carlos liebte Bella und passte auch auf sie auf. Bella dagegen war eifersüchtig und hatte Futterneid, vor allem wollte sie Chefin bleiben.

Obwohl unser Reisemobil inzwischen das Zuhause von Carlos war und er sich dort auch absolut sicher fühlte, sprang er immer wieder vor Angst auf, wenn ich mein Fuß oder mein Bein mal schnell bewegte. Er rannte dann zur Tür und wollte aus unserem Fahrzeug laufen, er ließ sich auch nicht durch mich aufhalten. Ich versuchte später immer wieder, mein Bein in seiner Nähe vorsichtig zu bewegen, bis er die Angst davor verlor. Er muss in seinem Leben wohl viel getreten worden sein, dass er soviel Angst vor meinem Fuß hatte, trotz seines Vertrauens zu mir.

Am nächsten Sonntag nutzten wir das schöne Wetter, um einen langen Spaziergang zu machen. Carlos war in den letzten Tagen so richtig aufgeblüht. Ich konnte nicht einmal sagen, woran ich das Erkannte, aber anderen war das auch aufgefallen. Die Antibiotika zeigten wohl Wirkung, vielleicht aber auch das Allopurinol, gegen die Leishmaniose. Wir kehrten im Oasis de las Palmeras ein und gingen später den Berg nach Bolnuevo hoch. Carlos verschwand in Bolnuevo, er hatte dort wohl sein eigenes Ziel.

Als wir nachmittags zurückkamen, erfuhren wir, dass die Müllers uns besuchen wollten und Jürgen vor unserer Parzelle umgefallen war. Er war mit der Ambulanz in ein Krankenhaus gefahren worden. Etwas später kam seine Frau total aufgelöst zu uns. Ich ermittelte, in welches Krankenhaus Jürgen gebracht worden war und brachte Helga dort hin. Am nächsten Tag holte ich mit Helga, Jürgen aus dem Krankenhaus in Cartagena ab. Die Übernahme von Carlos, die am Montag beim Tierarzt stattfinden sollte, war erst einmal geplatzt.

Helga fuhr trotzdem am Montag mit uns zum Tierarzt. Dort wurde von Carlos ein großes Blutbild gemacht. Carlos machte beim Arzt alles toll mit. Als der Arzt die Nadel herauszog, muss es ihn wohl geschmerzt haben, denn er zuckte zusammen. Danach sah er mich ganz eigenartig an, etwa als wenn er mir sagen wollte, warum hast du nicht verhindert, dass der Arzt mir wehtut.

Diesmal musste das Blut zu einem Labor, sodass ich das Ergebnis erst am Abend bekommen konnte. Ich fuhr abends mit dem Fahrrad alleine zum Tierarzt und bekam grundsätzlich ein positives Ergebnis. Die Anaplasmose war ganz verschwunden und das Immunsystem lag wieder im normalen Bereich, allerdings am unteren Ende. Ich bekam weitere Tabletten für Magen und Darm für einen Monat. Erst danach war eine Impfung für Carlos möglich. Aus Freude, dass es Carlos relativ gut ging, kaufte ich ihm sofort ein neues Halsband, sogar eines mit Reflektoren.

Auch wenn ich in der Hinterhand noch Barbara Giel hatte, rief ich nun Marina Lennartsson von "Refugio Dessert Hearts" in Ramonete an. Deren Telefonnummer hatte ich von unserem Tierarzt bekommen. Marina war eine Schwedin, die sechs oder mehr Sprachen sprach, sie leitete das Tierasyl. Leider hatte Marina ihr Tierasyl voll und konnte derzeit keinen Hund mehr aufnehmen. Außerdem hat sie noch große Probleme mit einem Nachbarn. Ihre Telefonleitung wurde gekappt, sodass sie kein Internet mehr hatte.

Sie sagte aber, dass sie eine gute Freundin in Deutschland habe, der sie schon viele Podencos vermittelt hatte. Sie versprach mir in der nächsten Woche vorbeizukommen, um Carlos zu fotografieren. Hätte sie noch Internet gehabt, hätte ich Ihr die Fotos mailen können.

Am Mittwoch gab es auf dem Campingplatz ein kostenloses Paellaessen. Wir wollten unbedingt daran teilnehmen, deshalb ließen wir die beiden Hunde im Fahrzeug alleine. Weil ich nicht wusste, wie gut das funktionierte, schaute ich eine Stunde später einmal nach. Die beiden Hunde lagen friedlich zusammen auf dem kleinen Sofa. Auch die nächste Stunde meisterten die Beiden hervorragend.

Als wir mal wieder mit den Rädern nach Puerto de Mazarrón fuhren, wollte ich Carlos mitnehmen. Er lief, ohne zu bellen, rechts neben mir her, um dann den nächsten Kreisverkehr in Gegenrichtung zu passieren. Dann rannte er im Eiltempo in die Rambla, wo er nicht wieder herauskam, obwohl wir eine Weile dort warteten. Das Gleiche passierte in den nächsten Tagen immer wieder. Wenn wir dann später zurückkamen, wartete er am Fahrzeug und zeigte immer wieder große Freude, wenn er uns wieder sah.

Am Nachmittag des 8.2.2012 gab es auf dem Campingplatz am Tor zum Strand, einen großen Ärger mit Carlos. Er fand einen großen wilden Hund, der seit circa einer Woche immer abends zum Campinglatz kam. Er ging sofort auf ihn los und bellte ihn an. Der wilde Hund war sehr ängstlich, verkroch sich neben einem Auto und schrie. Leute vom Campingplatz kamen angelaufen und erzählten, Carlos habe den Hund gebissen. Es bildete sich eine Gruppe, die meinte, dass Carlos unbedingt vom Campingplatz verschwinden muss. Einige meinten ich müsse Carlos einschläfern lassen. Einer sagte, dass Carlos jeden Hund beißt, was die Gruppe noch weiter anheizte.

Ich holte Carlos dort weg, während sich Rita, eine hundefreundliche Frau um den gebissenen Hund kümmerte und mit ihm zum Tierarzt fuhr. Am nächsten Morgen traf ich Rita, die mir erzählte, dass der Hund überhaupt nicht gebissen worden war. Seine Laufprobleme hatte er, weil seine Gelenke entzündet waren, außerdem war er voller Parasiten. Nach dem Mittag liefen wir mit den Hunden den Paseo bis zur Oasis, dann den Berg hoch, zum oberen Teil von Bolnuevo. Diese Strecke waren wir schon häufig gelaufen, aber Carlos kam zum ersten Mal, den kompletten Weg mit.

Er war zwar immer mal wieder kurz weg, um plötzlich wieder da zu sein. Wir setzten uns auf eine Bank, um die Aussicht auf das Meer zu genießen. Ich hörte, wie Carlos plötzlich mit lautem Getöse hinter uns auftauchte. Auffällig war, dass er hinter uns hin und herlief und plötzlich anfing zu jammern. Ich schaute nach, warum er so jammerte. Am Ende eines schmalen Weges stand eine 1,5 Meter hohe Mauer, über die Carlos wohl gesprungen war. Auf der anderen Seite hatte die Mauer aber eine Höhe von 3 Metern. Ein paar Meter weiter war das Grundstück allerdings nicht mehr so tief. Es gab aber wegen eines doppelten Maschendrahtzaunes und einer zusätzlichen dichten Pinienhecke, für ihn keine Möglichkeit zu entkommen.

Ich überlegte, wie ich Carlos am besten aus dieser Lage befreien könne. Ich beschloss, vom Campingplatz einen Seitenschneider zu holen und ein Loch in den Maschendraht zu schneiden. Vorher klingelte ich aber an der Vorderseite des Hauses, aber niemand war zuhause. Rosemarie versuchte, Carlos zu beruhigen, der aber zerrte mit seinen Zähnen am Zaun. Nachdem ich mit dem Seitenschneider zurück war, fing ich an ein Loch in den Zaun zu schneiden. Carlos sah das und wollte schon durch ein winziges Loch kommen. Ich versuchte ihn davon abhalten, aber er kam tatsächlich durch das kleine Loch raus, ohne sich zu verletzen.

Carlos war total aufgeregt und rannte weg. Wir liefen den Berg runter und kehrten im Café Colonia ein. Als wir später auf dem Campingplatz ankamen, wartete Carlos im Vorzelt auf uns. Er war immer noch ziemlich aufgeregt, lief sofort ins Fahrzeug und legte sich unter den Tisch, wo er sich sicher fühlte.

In dieser Woche wollte eigentlich Marina aus Ramonete kommen, um Carlos zu fotografieren. Leider kam sie nicht, vielleicht hatte sie uns wegen ihrer vielen Arbeit vergessen. Wenn ich wenigstens die Adresse ihrer Freundin bekommen hätte, die in Deutschland spanische Hunde vermittelt.

Eine Woche später bat mich Heidi, eine Nachbarin auf dem Campingplatz, Carlos länger hier zu lassen. Eigentlich wollte ich Carlos ein paar Tage später zu Barbara bringen, weil ich für die Zeit wieder ein Auto bestellt hatte. Sie hatte vor ein paar Tagen Carlos in Facebook eingestellt und inzwischen Kontakte geknüpft, mit dem Ziel Carlos zu vermitteln. Ich fand zwar ganz toll, dass jemand etwas für Carlos tat und nicht nur davon redete. Leider hatte ich inzwischen schon so viele Pleiten erlebt, dass ich mich auf nichts mehr verlassen wollte. Ich rief etwas später Barbara an, dass ich den vorgesehenen Transport von Carlos zu ihr, um ein paar Tage verschieben wollte.

Am Sonntag den 14.2. kam ich mit beiden Hunden von einem langen Spaziergang zurück. Am Tor zum Campingplatz sah Carlos plötzlich den Hund, den er ein paar Tagen zuvor angeblich gebissen haben sollte. Eine Frau hatte ihn inzwischen aufgenommen und führte ihn an der Leine. Carlos lief bellend auf diesen Hund zu, um ihn zu vertreiben. Die Frau schrie hysterisch, als wenn sie abgeschlachtet würde, während ich versuchte, Carlos einzufangen. Eine Gruppe von 30 -40 Leuten kam wegen des hysterischen Geschreis zusammengelaufen und einige verlangten, dass sofort Carlos eingeschläfert wird. Irgendwie bekam ich Carlos dort weg und stellte fest, wie aufgeregt er immer noch war.

Als wir an diesem Abend um 22:30 Uhr den letzten Spaziergang machten, sahen wir gegenüber dem Eingang vom Campingplatz die beiden wilden Schäferhunde. Carlos rannte sofort hin und nahm sich den Größeren der Beiden vor. Der Kleinere lief schon von alleine weg, während der Größere dem Bellen von Carlos standhielt. Carlos bellte ihn aber derart massiv an, dass dieser ganz langsam den Rückzug begann. Ich hatte mir die Situation die ganze Zeit angeschaut, und gesehen, dass Carlos zwar äußerst massiv den anderen Hund angebellt, aber absolut nicht versuchte zu beißen.

Später am Strand sah Carlos die beiden Hunde noch einmal. Wieder lief er zu ihnen, ohne dass ich ihn davon abhalten konnte, und verjagte die Beiden, bis sie etwa 150-200 Meter von uns entfernt waren. Danach kam er friedlich wie immer zu uns zurück. Bei der ersten Situation wollte Carlos wohl sein Revier verteidigen. In der zweiten Situation schien er allerdings uns beschützen zu wollen.

Zwei Tage später stand ich gerade unter der Dusche, als ich über Lautsprecher zur Rezeption gerufen wurde. Dort bekam ich eine Verwarnung wegen Carlos, weil ich ihn füttere, aber nicht an die Leine nehme. Es sollte inzwischen mehrere Beschwerden gegeben haben, unter anderem eine von meinem direkten Nachbarn. Es gesellte sich ein Mann hinzu, der sagte, dass der Campingplatz froh sein sollte, dass Carlos dort herumläuft, weil er den Platz von anderen Hunden freihalten würde. Ich versprach, Carlos in der nächsten Woche wegzubringen, und wollte versuchen, dass Carlos nicht mehr frei auf dem Campingplatz herumlief. Nachmittags fuhr ich nach Puerto de Mazarrón, um zwei Hundeleinen zu kaufen.

Da wir wieder einen Mietwagen hatten, fuhren wir am nächsten Tag mit Carlos Richtung Isla Plana, wo er frei laufen durfte. Er lief allerdings weg und ich hinterher. Nach einer Weile verlor ich ihn aus den Augen und dachte schon, das war es mit Carlos. Nach mehr als einer halben Stunde kam er wieder angelaufen und begrüßte mich freundlich. Das Autofahren machte Carlos allerdings Probleme. Er hechelte sehr stark und Wasser lief aus seinen Lefzen. Trotzdem wollte ich aber in den nächsten Tagen versuchen, ihn ans Autofahren zu gewöhnen.

Ich musste nun öfter mit Carlos nach draußen gehen. Da er an der Leine sein Geschäft nicht machte, ließ ich ihn außerhalb des Campingplatzes frei laufen. Wie immer lief er weiter weg und war manchmal schon an unserem Fahrzeug, während wir erst am Eingang waren. So verstießen wir ein paar Mal gegen die Auflagen der Rezeption.

Am Mittwoch fuhren wir mit Carlos nach Camposol, weil ich glaubte, dass dort Markt wäre. Die Fahrt war wieder sehr schlimm für Carlos. Er hechelte sehr hochfrequent und ihm lief wieder das Wasser an den Lefzen herunter. Ich lief mit Carlos und Bella an der Leine, während Rosemarie einkaufte. Carlos zog plötzlich sehr stark an der Leine, was ich von ihm nicht kannte, obwohl er dadurch schlechter Luft bekam.

Er zog mich zu einer Mauer, bis ich dann merkte, warum. Carlos machte sein Geschäft immer an einer Wand oder auf einer kleinen Mauer. Wenn es das nicht gab, suchte er einen kleinen Hügel, wo er dann in einer ganz eigenartigen Haltung sein Geschäft machte. Danach fuhren wir zum Tierarzt, um Beruhigungstabletten zu kaufen. Acht Euro für 10 Tabletten, das war nach meiner Meinung für Spanien sehr teuer.

Abends kam Rita mit Heidi vorbei, um zu sagen, dass Sie Carlos nach Frankfurt vermittelt hätten. Rita sollte ihn dorthin bringen. Dass ich Carlos zu Barbara Giel nach Almeria bringen wollte, wäre total falsch. Durch die Probleme, die Carlos beim Autofahren hatte, sagte ich zu, Carlos am nächsten Tag an Rita zu übergeben.

Am nächsten Morgen ging ich noch einmal mit Bella und Carlos spazieren. Danach lieferte ich Carlos bei Rita ab, weil er nach dem Laufen immer sehr lange, ruhte. Abends trafen Bella und ich, Carlos beim Spazieren gehen. Die Beiden spielten miteinander, wie in den letzten Wochen, dass es eine Freude war, Ihnen zuzusehen.

Als ich nächsten Morgen aufstand, saß kein Carlos mehr auf der kleinen Couch und wackelte mit dem Schwanz, wenn er mich sah. Ich merkte auf einmal, wie sehr er mir fehlte, und wurde traurig. Bei der Rückkehr vom Morgenspaziergang mit Bella hatte uns Carlos wohl beim Vorbeigehen an Ritas Wohnwagen gehört. Ich hörte einen Aufschrei und plötzlich kam Carlos um die Ecke gelaufen und stürzte sich auf mich, um mich zu umarmen. Ich sah eine ungeheure Freude in seinen Augen, und ich freute ich mich aber ebenso.

Abends kam Rita zu mir und sagte, dass Heidi ihr empfohlen hatte, dass es besser für Carlos wäre, wenn er mich nicht mehr sehen darf. Das konnte ich nicht verstehen, denn in 2½ Wochen sollte ich Carlos für fünf Tage wieder zu mir nehmen. Ich fühlte mich auf einmal so, als wenn ich Carlos verraten hatte. Ich konnte diese Nacht kaum einschlafen, alle meine Gedanken waren bei Carlos.

Bella merkte man nun auch an, dass sie Carlos vermisste, hatte er doch immer beim Spazieren gehen mit ihr gespielt. Überall wo Carlos vorher sein Terrain hatte, suchte sie ihn, aber er war nicht da. Auch mir ging es nicht mehr gut, Carlos fehlt mir und ich war fest davon überzeugt, dass wir ihm auch fehlten. Leute, die bisher nichts für Carlos getan hatten, bestimmten nun darüber, dass er nicht mehr zu mir durfte.

Als wir Sonntagnachmittag vom Markt in Guardamar zurückkamen, wartete kein Carlos mehr freudig auf uns, das fehlte mir schon sehr. Ich hatte inzwischen von Heidi einen Teil der Korrespondenz mit der „Tierhilfe aktiv“ in Dreieich bekommen. Ich schrieb der Leiterin Frau Bohlscheid, meine Sicht der Situation von Carlos. Ich wollte von Ihr wissen, ob es wirklich so schlecht wäre, Carlos hier in Spanien bei Bekannten zu lassen. Für mich war sehr wichtig, was für Carlos das Beste sei.

Am nächsten Tag trafen wir Rita und Carlos bei unserer morgendlichen Tour. Carlos sprang mich vor Freude wieder an. Bella wiederum machte das mit Carlos. Ich versuchte, Rita klarzumachen, dass es so eigentlich nicht weitergehen konnte. Carlos hatte Rita noch nie Schwierigkeiten bereitet, nachdem er mich mal gesehen hatte, und zu mir kam. Wir beschlossen, dass wir ab sofort wenigstens zwei Mal am Tag mit beiden Hunden zusammengehen wollten. Auch Rita hatte inzwischen eingesehen, dass es für Carlos besser sei, wenn er mich öfter sehen konnte.

So machten wir das nun und es funktionierte prima. Als wir an einem Nachmittag von Bahia zurückkamen, spielten Carlos und Bella so intensiv, dass Rita Carlos von der Leine ließ. Kurz drauf nutzte Carlos die Chance, um wegzulaufen, kam aber nach 15 Minuten wieder zurück. Etwas später durfte Carlos noch einmal frei laufen, und wieder nutzte er das aus, um diese Freiheit zu genießen. Diesmal lief er durch den Rambla und hüpfte wie eine Antilope über Sträucher und entfernte sich immer weiter von uns. Es dauerte fast eine Stunde, bis er wieder zurückkam. Er suchte zunächst mich, fand mich aber nicht, und lief dann weiter zu Rita.

Am Donnerstag als Rita gerade bei uns war, versuchte ich noch einmal, mit der Tierhilfe zu telefonieren, an den letzten beiden Tagen hatte es nicht geklappt. Diesmal konnte ich aber ein langes Gespräch mit Frau Bohlscheid führen. Erstaunlicherweise bestärkte mich die Frau in der Meinung, dass Carlos wahrscheinlich hier in Spanien besser aufgehoben sei als in Deutschland.

Ich vereinbarte mit ihr, dass ich Carlos zu den Bekannten bei Almeria bringen werde. Dort wollte ich ihn ein paar Tage beobachten. Falls er dort Probleme hat, wollte ich ihn wieder mit zurückbringen. Entweder Rita oder ich würden ihn dann nach Dreieich bringen. Wegen Carlos großer Angst vor dem Autofahren empfahl mir Frau Bohlscheid, nach einer Lösung zu suchen, Ihn eventuell mit dem Flugzeug nach Deutschland zu schicken.

Etwa 1½ Wochen lang gingen wir nun so mit beiden Hunden spazieren. Spätabends war auch Rosemarie dabei. Rita hatte das in dieser Zeit ganz toll mit Carlos an der Leine gemacht. Sie lief immer sehr große Runden mit Carlos. Ich wäre nicht so konsequent gewesen, und hätte Carlos außerhalb des Campingplatzes öfter mal freigelassen. Am 11. März vereinbarten wir dann mit Rita, dass Sie Carlos am nächsten Morgen nach 9 Uhr zu uns bringt.

Am Montag den 12. März um 9:30 Uhr brachte Rita Carlos zu uns. Sie hatte ihm vorher zwei Beruhigungstabletten verabreicht. Die Abreise verzögerte sich noch ein bisschen, weil einige Leute zur Verabschiedung kamen. Bella und Carlos machten sich auf dem Beifahrersitz breit und schauten interessiert aus dem Fenster. Carlos machte nicht den Eindruck, dass er Rita vermisste.

Ich hatte für Carlos eine Decke über den Tisch gelegt, die seitlich herunterhing, quasi wie eine große Hundehütte. Carlos ging auch hinein, kam aber nach kurzer Zeit wieder heraus. Er wollte auf die Seitencouch, wo er schon immer gelegen hatte. Wir gaben ihm zur Sicherheit noch eine weitere Beruhigungstablette. Rosemarie versuchte zwischendurch, dass er sich zum Schlafen legt, aber er wollte immer schauen. Ich bemerkte, dass er während der ganzen Fahrzeit nur mich anschaute. Ab und zu hechelte er zwar stark, aber viel weniger als bei den Testfahrten mit dem Pkw.

Bei Barbara angekommen, waren Bella und vor allem Carlos etwas ängstlich, als uns die vielen Hunde begrüßten. Nach einer Viertelstunde war Carlos aber schon so weit, dass er mit einigen Hunden mitlief. Als später Christian kam, bekamen wir allerdings einen Dämpfer, weil er keinen weiteren Hund mehr haben wollte. Auch mit viel Zureden änderte er seine Meinung nicht.

Weil die Zeit drängte, Carlos Impfen und Chippen zu lassen, beschlossen wir, das am nächsten Tag in Vicar bei einer Tierärztin machen zu lassen. Carlos hatte sich inzwischen ganz toll in das Rudel integriert. Einem fünf Monate alten, riesigen Hund, der ihn den ganzen Nachmittag anbellte, zeigte er, wer von den beiden das Sagen hat.

Am Vormittag fuhr ich mit Christian nach Vicar zur Tierärztin, um Carlos chippen und impfen zu lassen. Die Fahrt mit Carlos verlief recht gut, er fuhr im Beifahrerfußraum mit, wo ich ihn in den Arm nehmen konnte. Auf der Rückfahrt wollte er unbedingt auf meinem Schoß mitfahren und ließ sich auch nicht runter drücken, als wir an Polizisten vorbei fuhren.

Die Tierärztin stellte als Erstes fest, dass Carlos schon einen Chip besaß, sein Besitzer kam aus Nordspanien. Ein Anruf dorthin klappte nicht. Nun befanden wir uns in der Situation, dass die Ärztin mit Carlos nichts machen durfte, weil er uns ja nicht gehörte. Ich wusste nun überhaupt nicht mehr, wie es mit Carlos weitergehen sollte, zumal Christian meinte, dass das weitere Verfahren mindestens einen Monat dauern würde, wir aber diese Zeit nicht mehr hatten.

Zurück bei Barbara berieten wir, was nun zu machen sei. Christian war bereit, den Hund für eine begrenzte Zeit in Patenschaft zu nehmen. Wenn der bisherige Besitzer Carlos nicht mehr haben wollte, sollte er von einem Bekannten Christians nach Deutschland überführt werden. Mir fiel nun echt ein Stein vom Herzen, für die anfallenden Kosten würde ich natürlich aufkommen.

In den drei Tagen bei Barbara kam Carlos sehr gut mit den anderen Hunden klar. Er versuchte allerdings dem ranghöchsten Rüden klarmachen, dass er der Chef sein will. Für mich war klar, Carlos war hier gut aufgehoben. Als wir abends bei Barbara saßen, legte sich Carlos auf eine dicke Unterlage, die Rosemarie mitgebracht hatte, worauf ein großes Badetuch lag, das Carlos schon kannte. Als wir später zum Schlafen in unser Reisemobil zurückgingen, kam Carlos einige Zeit später in unser Fahrzeug, obwohl wir gehofft hatten, er würde bei Barbara schlafen.

Als Christian am nächsten Morgen um 8:30 Uhr mit den Hunden seine lange Tour machte, ließen wir Carlos raus und er lief auch zu den Hunden. Als er nach 1½ Stunden zurückkam, stellten wir fest, dass Carlos gar nicht mitgelaufen war, sondern vor unserem Fahrzeug auf uns gewartet hatte.

Wegen des schönen Wetters wurde morgens gesonnt und den spielenden Hunden zugesehen. Ich sah, dass Carlos sich prächtig machte. Mittags fuhren wir mit Christian, Vera und Heide in eine Bodega, ohne die beiden Hunde. Als wir wieder zu Barbara zurückkamen, begrüßten uns Carlos und Bella. Wir erfuhren, dass die beiden zusammengeblieben waren und immer mal wieder zum Weg liefen, den wir heruntergefahren waren. Das war ein typisches Verhalten von Bella, der sich Carlos wohl angeschlossen hatte.

Abends bei Barbara hatte sich ein anderer Hund auf Carlos Unterlage breitgemacht. Carlos fand aber trotzdem einen Platz, allerdings nicht so weich und bequem. Als wir gegen 22 Uhr zu unserem Fahrzeug gingen, kam Bella mit, aber Carlos blieb dort liegen, was mich sehr freute. Um 23 Uhr kam er aber an unser Fahrzeug, worauf Bella sofort anschlug und wir ihn zu uns reinließen.

An nächsten Morgen standen wir schon um 8 Uhr auf und bereiteten unser Fahrzeug für die Abreise vor. Als Christian mit den Hunden kam, nahm er Carlos an die Leine. Ich wollte noch ein letztes Foto von Carlos machen, aber als ich aber die Kamera bereithatte, waren alle schon hinterm Abhang verschwunden. Wir fuhren sofort los, und hielten erst einige Kilometer weiter an, damit Bella ihr Geschäft machen konnte.

Am Abend machten wir in Saragossa eine Pause und riefen Barbara Giel an, die mich an Christian weiterleitete. Christian erzählte, dass er Carlos von der Leine gelassen hat, als er am weitesten von uns entfernt war. Carlos lief sofort weg, über einen Weg, den er bisher noch nicht kannte. Auf dem Platz, wo bisher unser Fahrzeug stand, heulte eine Weile gegen den Himmel. Dann lief er über die Straße den Berg runter. Nach einer Weile kam er zurück, suchte uns wieder, heulte wieder den Himmel an und lief wieder den Berg herunter. Das machte er mehrere Male und ließ sich dabei von niemand anfassen.

Am Nachmittag fuhren die Leute zum Einkaufen nach Vicar. Auf der Straße den Berg herunter stand Carlos und heulte. Er ließ sich nicht ansprechen und lief wieder zurück auf den Berg. Als Sie mit dem Einkaufen fertig waren, sah Heide auf einmal Carlos in Vicar. Das war 10 Kilometer vom Berg entfernt. Sie versuchten, ihn zu fassen, aber er lief Richtung Almeria, also noch weiter weg.

Christian versuchte es später noch einmal und nahm die Hündin Filippa mit, weil die beiden sich mochten. Fünf Minuten vor meinem Anruf, also kurz vor 20 Uhr, tauchte Carlos bei Barbara wieder auf. Ich bat Christian inständig, Carlos öfter mal zu drücken und ihm ein bisschen Liebe zu geben, denn das war es, was er am Allermeisten brauchte.

Die Weiterfahrt wurde für mich sehr schwierig. Es war inzwischen dunkel und ständig liefen mir die Tränen herunter. Dieser Hund hat mir so vertraut und ich hatte sein Vertrauen missbraucht. Ich redete mit Rosemarie noch lange über die Situation, die sehr schwierig war. Irgendwann war auch Rosemarie bereit, Carlos eventuell bei Barbara abzuholen. Trotzdem war ich immer noch der Meinung, dass wir für Carlos die beste Möglichkeit gefunden hatten.

Auch am nächsten Tag dachte ich ständig an Carlos. Ich begriff immer mehr, dass wir einen Freund zurückgelassen hatten. Immer wieder musste ich mir beim Fahren die Tränen abwischen, weil ich nichts mehr sehen konnte. Bella versuchte mich ab und zu, zu trösten, denn sie merkte, wie traurig ich war. Auch als wir in Leverkusen Gitta und Bruno besuchten, konnte ich kaum über die Situation reden. Ich brachte uns trotzdem gut nach Hause.

Von Christian bekam ich ein paar Tage später eine E-Mail, dass Carlos sich inzwischen gut eingewöhnt hat. Die Medikamente bekam er morgens auch immer ohne Probleme. Wie ich vorausgesagt hatte, fühlte er sich ohne uns nicht mehr so stark. Er wusste zwar, dass er dort wohnte, aber nicht ob er zur Barbara, oder Christian gehört. Der große Galgo, den Carlos anfangs attackiert hatte, zeigte ihm nun die kalte Schulter und Carlos hielt still. Carlos machte nun auch morgens, beim großen Spaziergang freiwillig mit.

Mich beruhigte diese Nachricht und ich war nun endgültig überzeugt, dass wir das Beste für Carlos getan hatten. Ich malte mir schon aus, wie Carlos sich verhält, wenn wir ihn in einem halben Jahr besuchten. Ein entfernter Gedanke war sogar, dass wir ihn wieder mit nach Bolnuevo nehmen könnten, aber das wäre sicher nicht gut für ihn. Jedenfalls freute ich mich auf ein Wiedersehen mit ihm im Oktober.

Dann bekam ich Anfang April eine E-Mail von Christian. Carlos war endgültig weggelaufen. Anfangs ging er morgens aus dem Haus, kam aber spät abends wieder zurück, dann blieb er ganz weg. Christian kontrollierte eine Woche lang die neuralgischen Stellen in der Nähe. Er schaute auch immer im Tierheim nach, aber ohne Erfolg. Er hatte erst einmal gewartet, weil er hoffte, Carlos käme doch wieder zurück, bevor er uns benachrichtigt hat.

Das war für mich ein großer Schock. Ich dachte nun nur noch an Carlos und war tieftraurig. Ich musste mit jemandem reden, aber dann kam nichts außer Tränen aus mir heraus. Ich hatte viele Arzttermine, die ich mit dem Auto wahrnehmen musste. Dabei musste ich mich vor dem Ziel immer zwingen, an etwas anderes zu denken. Trotzdem waren meine Augen immer rot.

Zuhause hatte ich viel zu tun, ich kam aber nicht so richtig weiter, ständig war ich am Computer um E-Mails abzufragen, vielleicht war ja eine neue Nachricht über Carlos da. Nach 14 Tagen rief ich den Campingplatz in Bolnuevo an und fragte nach, ob Carlos eventuell dort aufgetaucht sei. Man konnte sich noch gut an ihn erinnern, und versprach mir, mich sofort anzurufen, wenn er dort auftauchen sollte. Ich würde sofort dorthinkommen, um ihn abzuholen. Bei dem Telefonat musste ich mich unheimlich zusammenreißen, dass meine Stimme nicht versagte.

Leider hörte ich auch nach Wochen nichts von Carlos. In mir reifte inzwischen der Gedanke, dass Carlos tot ist. Er könnte auf die Autobahn gelaufen sein, um uns zu suchen. Er kannte sich zwar gut mit fahrenden Autos aus, aber die Autobahn mit den schnellen Autos war etwas anderes, das kannte er nicht.

Was hatte Carlos in seinem Leben schon alles mitmachen müssen? Wir kannten ja nur einen kleinen Teil aus seinem Leben. Ich tröstete mich damit, dass ihm die Zeit mit uns gefallen hat und er wenigstens eine kurze Zeit glücklich war. Die Traurigkeit in mir war auch Monate, nachdem er verschwunden immer noch da. Ich wollte zwar niemanden mehr mit meiner Traurigkeit nerven, aber irgendwie musste ich mir etwas von der Seele reden.

Ich fing an, meine Erinnerungen, an Carlos aufzuschreiben. Das war nicht einfach, denn immer wieder musste ich weinen, und konnte den Text auf dem Bildschirm nicht sehen. Ich fing an, zu begreifen, welch ein Freund Carlos für mich geworden war. Carlos war es, der mich zu seinem Freund auserkoren hatte, warum? Hatte er gespürt, dass ich es ehrlich mit ihm meinte? Sein Vertrauen zu mir belastete mich besonders, denn ich hatte es wohl missbraucht.

Dass er großes Vertrauen zu mir hatte, zeigte sich bei den Tierarztbesuchen oder beim Autofahren, wo er große Angst hatte. Auch dass er von feindlichen Hunden abließ, wenn ich ihm das sagte, zeigt sein Vertrauen zu mir. Wie schön wäre es gewesen, wenn die Müllers oder Rita ihn genommen hätten. Die hätten ihm Liebe gegeben, die er bei Barbara Giel wohl nicht so bekommen hatte, wie er sie brauchte. Ich hätte das merken müssen, und obwohl er geschippt war, hätte ich ihn mit zu uns nach Hause nehmen sollen. Die Sache mit seinem Besitzer hätten wir bestimmt irgendwie hinbekommen.

Aber es war vorbei, „hätte“ und „wenn“ half nicht mehr. Ich hoffte zwar auf ein Wunder, dass ich ihn vielleicht doch einmal wiedersehe. Ich hatte kaum Ahnung von Hunden, aber Carlos war außergewöhnlich. Alle Leute, die Carlos etwas besser kannten, waren der gleichen Meinung. Auch Rita, die schon viele Hunde hatte, einen so tollen Hund wie Carlos hatte sie noch nie zu tun gehabt.

Lieber Carlos, egal wo Du jetzt bist, ich wünsche mir, dass es Dir gut geht, auch wenn Du inzwischen über die Regenbrücke gegangen sein solltest. Ich danke Dir, dass du mich zu deinem Freund gemacht hast. Ich wollte für dich wirklich nur das Beste und bedaure so sehr, dass ich deinen Wunsch, bei mir zu bleiben, nicht richtig erkannt hatte. Ich werde Dich niemals vergessen mein lieber Freund.

Adios Carlos!!!

Nachtrag:

Anfang November 2012 kam Udo, ein Lübecker Campingfreund mit dem Fahrrad zu unserer Parzelle in Spanien, um zu sagen, dass er am Mittag Carlos gesehen hätte. Das wühlte mich total auf, ich fing an, zu zittern, musste heulen, aber so richtig vorstellen konnte ich mir das nicht. Trotzdem lief ich mit Bella kreuz und quer über den Campingplatz, um eine Fährte zu legen. Ich wusste ja, welch ein guter Fährtenleser Carlos war, aber es regnete danach sehr stark, dass unsere Spuren sicher verwischt wurden.

Am darauffolgenden Samstag sahen wir in der Rambla einen Podenco. Für mich war klar, dass es sich nicht um Carlos handelte. Ich rief trotzdem Carlos zu dem Hund, sodass er auf mich aufmerksam wurde. Er kam näher und bellte zu mir rüber. Ich versuchte, dass er näher zu uns herankommt, aber bei 150 Metern war Schluss. Ich konnte sehen, dass er ein Halsband trug, aber die Farbe konnte ich nicht erkennen. Ich hätte gerne gewusst, ob es sich um den Hund handelte, den Udo für Carlos gehalten hat. So hätte ich Gewissheit gehabt, dass es nicht Carlos war, den er gesehen hatte, obwohl ich mir so gewünscht hatte, dass er es war.

Mitte Dezember traf ich beim Spätspaziergang Renate, eine Luxemburgerin. Sie erzählte mir, dass ihr Mann Henk am Nachmittag Carlos gesehen hätte. Er sollte wie im letzten Jahr, mit seiner Aischa gespielt haben und danach in Bolnuevo den Berg hinaufgelaufen sein. Normalerweise wollte ich nichts mehr über Carlos hören, weil ich hinterher sowieso wieder enttäuscht wurde. Als sie aber erzählte, dass er den Berg hinaufgelaufen war, wurde ich hellhörig. Wie oft hatte Carlos das in der letzten Saison gemacht. Renate lud mich ein, am nächsten Morgen vorbei zu kommen, um die Fotos zu schauen, die Henk gemacht hatte.

Als ich am nächsten Morgen beim Gassi gehen Henk traf, erzählte er aber nichts davon, dass er Carlos gesehen hatte. Als wir dann auseinandergingen, sagte ich ihm, dass ich gleich wegen der Fotos kommen würde. Er antwortete aber, dass dieser Hund auf keinen Fall Carlos gewesen wäre, er war kleiner und kompakter Carlos. Wahrscheinlich handelte es sich aber um den Hund, den die Leute schon in der letzten Saison hier gesehen hatten und das Gerücht verbreiteten, wir hätten Carlos zurückgelassen.

Lieber Carlos,
ich habe zwar keine alzulange Zeit mit Dir verbracht,
aber ich denke ständig an diese Zeit mit Dir.

Podenco Carlos

Was ist mit dir passiert?
Hast Du im hundefeindlichen Spanien, vielleicht doch einen lieben Menschen gefunden?
Bist Du in Spaniens Süden herumgeirrt, wie anfangs als Du mich suchtest?
Hat Dich Deine Krankheit erwischt oder ein Auto bei Deiner Suche?
Bist Du bereits über die Regenbrücke gegangen?
Ich werde wohl nie eine Antwort darauf bekommen.
Ich hoffe inständig, das du noch einen lieben Menschen gefunden hast.
Vergessen werde ich dich niemals!!!
Und dank Dir Carlos, haben zwei Hunde Familien gefunden.